Nach eineinhalb frustrierenden Tagen des Programmierens, in denen ich nicht sonderlich weitergekommen war, beschloß ich letzten Mittwoch, zu Chrysler zu fahren, um mir den neuen 300C anzuschaun. Da ich versprach, innerhalb einer Stunde wieder da zu sein, wollte Anna unbedingt mit – Referat hin, Studienarbeit her.
Bei Chrysler angekommen, sahen wir und das überdimensionierte amerikanische Spielzeugauto an. Anna war nicht sehr beeindruckt, und wollte viel lieber zum danebenstehenden Jaguar Händler. Ein 105.000€ teurer XKR gefiel ihr sehr gut, auch für die XJ Modelle konnte sie sich begeistern. Der Händler dagegen wollte uns gerne einen fast neuen XJR für 45k verkaufen. Ich winkte grinsend ab.
Auf dem Rückweg kamen wir beim Porsche Händler vorbei. „Hey, wollen wir noch Porsche anschauen?“. „Klar!“ war die Antwort. Also auf den Hof fahren und rein. Dort konnte ich es mir nicht nehmen lassen, mir einen Verkäufer zu schnappen und einen auf Dicke Hose zu machen *grins, und sagte zu Annas Entsetzen zu den exorbitanten Gebrauchtwagenpreisen Ja und Amen. Aber sie spielte mit.
Nach einiger Zeit fand sich ein schöner silberner 911 Carrera 4, Bj 2001, 25tkm gelaufen, für 59k€. Wir vereinbarten eine Probefahrt.
Samstag sollte es so weit sein, allerdings wurde ihnen ein rotes Nummernschild geklaut, so daß wir erst Montag um 13:00 fahren konnten.
Montag stand das Auto dann auch zur Probefahrt bereit auf dem Hof. Der übliche Papierkram, und dann hieß es – einsteigen. Der Verkäufer gab mir eine kurze Übersicht, dann drehte ich mit der linken Hand den Zündschlüssen und der 300PS starke 6-Zylinder-Boxermotor wurde blubbernd lebendig.
Es ist erstaunlich viel Platz im Cockpit. Die mit grünem Leder bezogenen Schalensitze sind knapp geschnitten, vollelektrisch Einstellbar und mit einer Lordosenstütze versehen. Mir kommen sie wie Gartenstühle vor. Ob sie in einigen Stunden immer noch bequem sein werden. Entgegen meiner sonstigen Gewohnheit wählte ich im Porsche eine eher tiefe Sitzposition. Automatik Wählhebel auf D, und es konnte losgehen.
Im Stadtverkehr war der Unterschied zu meinem BMW nicht sehr groß, das Lenkrad war allerdings deutlich schwergängiger, die Federung ein wenig härter, aber noch längst nicht so krass wie erwartet.
An der nächsten Kreuzung schaltet die Ampel auf rot. Wir warten. Ich sehe mit nach einer Armlehne um, und wurde an der Tür fündig. Man merkt dabei deutlich, wie der Boxer mit den Baßboxen um die Wette wummerte. Dabei war noch nichtmal das Bose-System installiert.
Ich nutze die Zeit, um das Navi-System auf Braunlage zu programmieren. Noch 120km bis zum Ziel.
Nach einigen Minuten waren wir auf der Stadtautobahn und cruisten mit 97 Sachen dahin. Ein Porsche ist nicht gerade leise. Im Gegensatz zum BMW 528, in dem man sich auch bei 180 noch normal unterhalten kann, kann man sich im Porsche bei 100 zwar noch erhobener Stimme verständigen, aber bei 3,000 U/min wird der Motor langsam richtig wach und will ein Wörtchen mitreden.
Während wir dahinrollen spielte ich mit dem Tempomaten. Ich muß sagen: Die Qualität der Lenkstockhebel ist zum weglaufen, billigstes Billigplastik wie im Fiat 500.
Es fängt an zu regnen. Faszinierend sind die niedlichen Scheibenwischer, die geräuschlos und sehr effizient ihren Dienst verrichten. Es gibt sogar eine verstellbare Intervalschaltung wie im BMW.
Die A7 rückt näher. Der Regen hört auf, die Straße ist trocken. Blinker setzen, auf die Beschleunigungsspur und das Gaspedal durchgedrückt: Was jetzt passiert, läßt sich mit Worten nur unzureichend beschreiben. Die Triptronik schaltet blitzartig in den ersten Gang zurück, der mittig angeordnete Drehzahlmesser schnellt auf die 7000er Marke, und der Boxer schießt mit einem infernalischen Geschrei vorran. Die Automatik schaltet in den 2. Gang, der Drehzahlmesser zuckt kurz zurück um wenige Sekunden später wieder bei 7000 zu sein. Die Zahlen auf dem Digitaltacho, der unter dem Drehzahlmesser angeordnet ist, lassen sich kaum verfolgen, als ich das erste mal draufgucke zeigte er 174, 177, 183, 188…wieder auf die Straße gucken, alles ist frei…220…223..Straße…235, 240 Straße, Verkehr, Gas weg und auf die Bremse.
Hier offenbar sich eine weitere Qualität des 911ers: die Bremsen sind das beste, war mir je unter die Räder gekommen ist. Obwohl wir innerhalb kürzester Zeit von 240 auf 160 runterbremsen müssen, sind die Bremsen überraschend sanft, man wird nicht brutal nach vorne geschleudert.
Es fängt wieder an zu regnen, und wir fahren vorsichtig mit 160 Richtung Harz. Kurz vor Bad Harzburg zeigt das Navi seine Schwächen: es führt uns nicht in den Harz, sondern geradewegs in den wilden Osten. Das hat aber auch seine Vorteile: hier scheint nämlich die Sonne. Wir versägen kurz einen Golf GTI, und halten an einem überraschend leeren Parkplatz, um einem menschlichen Bedürfnis nachzugehen und das Auto ein wenig anzuschauen. Faszinierend: Die Sitzschalen sind so angepaßt, daß sie direkt in die hinteren Sitzmulden reinpassen und folglich sich komplett umlegen lassen.
Anna läßt sich mit dem Porka fotografieren, und spätestens hier merken wir, warum der Parkplatz so leer ist: es schwirren Dutzende von Wespen herum, die an unserem Fahrzeug gefallen zeigen. Schnell wieder einsteigen. Den Startvorgang nehm ich mit der Digicam auf, und kann es mir nicht nehmen lassen, den Motor einmal richtig aufheulen zu lassen. Diese quittiert meinen Übermut nicht nur mit einem infernalischen Kreischen, sondern fängt am Ende der Drehzahlskala noch heftig an zu schütteln. Es ist wohl das erste mal, daß ich in einem Auto eine Gänsehaut bekomme *grins.
Wir fahren weiter. Wernigerode. Stau. Ich versuche, eine Abkürzung durch ein Wohngebiet. Wie üblich landen wir nach einiger Zeit in einer absolute Porsche-untauglichen Straße und müssen umkehren. Die Zeit drängt langsam ein wenig, denn wir hatten versprochen, bis vier wieder da zu sein, außerdem wird der mit 60 Liter absolut unterdimensionierte Tank langsam leer. Irgendwann haben wir auch den Stau passiert, und fahren richtung Harz – einem Reisebus und einem Skoda Oktavia hinterher.
Die Straßen sind sehr kurvig, keine Chance, an dem Bus vorbeizukommen. Ich genieße die Ruhe und die Kurven, während Anna sich sichtlich langweilt. Endlich eine kurze Gerade ohne Gegenverkehr. Blinker raus, Gaspedal durchdrücken und auf die Gegenspür. Der Motor heult auf, ich spüre die neidischen Blicke des Skodafahrers, und als wir neben dem Bus sind ist er Tacho bei über 160. Achtung Kurve, voll in die Eisen. Dank des Buses ist die nächte Etappe relativ leer, wir kommen flott voran. Der Wagen fliegt durch die Kurven, und ist vom Grenzbereich trotzdem noch weit entfernt.
Trotzdem: der neue BMW E60 kann das Kurvenfahren dank Dynamic Drive und Akivlenkung mindestens genauso gut, und viel leiser.
Das nächste Dorf ist da: „Elend“. Ist schon irgendwie merkwürdig, mit einem Porsche in Elend zu fahren. Schnell sind wir wieder draußen, verzichten kurzerhand auf den Besuch eines Dorfs namens „Sorge“, und überholen zwei Sonntagsfahrer. Es ist einfach zu schön, den Schub im Rücken zu spüren. Nach kurzer Zeit sind wir in Braunlage.
Wir finden eine Tankstelle. Kurzer Anruf bei Porsche – wir kommen etwas später, das Navi habe uns in die Irre geführt. Ob wir Spaß hätten? Hmm, er ist ein wenig gewöhnungsbedürftig.
Ich kippe 10l teures Super Plus rein, mit dem Ergebnis, daß der Tankanzeiger auf Reserve runtergeht. Haben die mir etwa Luft reingefüllt?
Langsam fahren wir den Harz wieder runter. Urlauberroute, d.h. bergab mit Tempo 60. Ich teste, ob der Tempomat die Geschwindigkeit hält. Tut er nicht, den zwei Kurven später macht die Polizei ein schönes Foto – wir fuhren 77, 17km zu schnell. Such est la vie.
Der Tank wird immer leerer, die angezeigte Reichweite reicht bei weitem nicht bis nach Hannover. Gottseidank finde ich eine freie Tankstelle, und schütte nochmal 15l Super Plus rein, lasse den Motor an, und plötzlich ist der Tank randvoll. Irgendwie fühle ich mich ein wenig angepißt.
Wir fahren an Goslar vorbei, meist über Landstraßen. Es ist erstaunlich, was für ein Klangspektrum der Motor hat, vom tiefen blubbern bis zum infernalischen Kreischen. Anna wartet sehnsüchtig auf die Autobahn.
Endlich sind wir wieder auf der A7. Da der Vekehr ganz brauchbar ist und ich reichlich Sprit zu verbennen habe ist Heizen angesagt. Also wieder kickdown und auf die linke Spur. Der Motor kreischt, und wir sind bald mit 230 Sachen Unterwegs. Ernstzunehmende Gegner gibt es keine. Ein Passat V6 probierts trotzdem, hat aber keine Chance.
In einem Teilstück schaffe ich es, den 11er auf über 260 Sachen zu bringen, und spätestens hier macht sich ein breites Grinsen in meinem Gesicht breit. So sinnlos es sein mag: irgendwie ist es ziemlich geil, noch schneller fahren zu können als die meisten bei 250 abgeriegelten Luxusfahrzeuge.
Wir kommen viel zu schnell in der Niederlassung an. Mir dröhnen die Ohren, aber meinem Rücken gehts prima. Wir geben den Wagen ab, murmeln etwas von „kein Kofferraum und viel zu laut“. Auf er Türschwelle drehe ich mich um und frage nach einem Prospekt, obwohl ich eigentlich schon einen vom Anfang des Jahres hatte. Der Verkäufer stratzt diensteifrig los, kommt nach zwei Minuten wieder und drückt mir ein Buch in die Hand. Ich bedanke mich, ein bisschen enttäuscht, daß es kein Prospekt des 997er ist, der am Samstag präsentiert wird.
Erst zu Hause merke ich: der Prospekt ist nicht irgendein Neuwagenprospekt, es ist der Prospekt zu dem Baujahr des Wagens, den wir gefahren haben. Wow! So einen Service hab ich noch nicht erlebt! Einen neuen Prospekt passend zum Gebrauchtwagen.
Später am Abend fahr ich zum Toastmasters Vorstandstreffen. Ja, mein BMW ist wunderschön, sehr leise, sehr komfortabel….aber irgendwie auch wahnsinnig langweilig…