Fahrbericht Audi A8 4.2 – Von Strebern für Streber

Der Audi A8 4.2 D3

Der Audi A8 4.2 D3

Neulich hatte die Firma Audi die glorreiche Idee, das 7er Forum durch Schalten einer E-Mail Werbung finanziell zu unterstützen. Im Grunde ein lobenswerter Gedanke, aber leider wurde dabei keine Probefahrt im neuen Audi A8 angepriesen, die ich sehr gerne in Anspruch genommen hätte, sondern ominöses „Winterpaket“ beworben, bei dem nicht ganz klar wird, wozu genau das gut sein soll. Eigentlich hielt ich Audi seit der berühmten Werbung auf der Skisprungschanze für generell als der kalten Jahreszeit zugetan.

Trotzdem hatte ich das Glück und die Gelegenheit, einen Eindruck der Fahrzeuge aus Ingolstadt zu gewinnen, und zwar in Form eines Audi A8 4.2 aus dem Jahre 2002.

Dieses besondere Exemplar gehört seit kurzem einem Freund. Die vorige Generation hatte ihn einst als Neuwagen gekauft, und 10 lange Jahre gefahren, wobei knapp 180,00 km zusammen kamen. Die Inzahlungnahme für einen neuen Geländewagen lohnte nicht, also wurde das Auto weitergereicht.

Auf den ersten Blick sieht der A8 aus wie ein israelisches Leihauto: Beulen und Kratzer wohin das Auge blickt. Selbst das unverdientermaßen zum Tode durch Abwracken verurteilte Opel Astra Coupe machte äußerlich einen besseren Eindruck!

Es wurde bei der Bestellung vergessen, ein Kreuzchen beim Ausstattungspunkt PDC zu machen. Eine Erklärung für die zerbeulte Stoßstange. Nicht jedoch für die Korrosion an der Heckklappe. Hier blüht der Lack wie ein Strauß bunter Rosen. Im Gegensatz zu BMW heißt es nicht Rost, sondern Alu-Korrosion. Meine Träume von einem Auto, dass sich nicht in Luft auflöst, lösen sich – nun ja – in Luft auf.

Nur auf den ersten Blick besser gibt sich der Innenraum: Das immerhin geschmeidige Leder hat einen Riss an der linken Seitenwange. Das belederte Lenkrad ist abgeschliffen und glänzt speckig. Die Farbe des Teppichs ist nicht ganz spinatfahl, ist aber offenbar so gewählt, dass man die Kotze der in der Vergangenheit öfter mitreisenden Miezekatze nicht auf den ersten Blick sieht.

Am schlimmsten jedoch hat es die einst von der Presse als äußerst hochwertig gelobten Audi Bedienelemente getroffen: Überall ist der Softlack großflächig abgeplatzt, der Lichtschalter strahlt in weiss, bei vielen Schaltern auf der Mittelkonsole kann man die Funktion nur noch erahnen.

So schlimm sieht es nicht einmal mehr in einem 15 Jahre alten Ferrari Maranello aus. Die Bedienelemente in meinem 97 er BMW 750i sind dagegen neuwertig.

Obwohl nur die elektrisch verstellbaren Standardsitze verbaut sind, sitzt man recht bequem und hat nach allen Seiten ausreichend Platz. Auch der Abstand von der Armlehne zum Lenkrad passt, so dass ich wie gewohnt locker aufgestützt cruisen kann.

Auch wenn man den A8 4.2 wohl eher mit einem BMW 740i vergleichen sollte, vermisse ich im Interieur Leder. Zwar gibt es auch ein erweitertes Lederpaket, eine beledertes Armaturenbrett hingegen ist im A8 eine Seltenheit, das gab es nichtmal im W12 serienmäßig.

Schön finde ich die breiten Türverkleidungen. Das Soundsystem ist ebenfalls Standard, hat aber einen schönen Bass, deutlich besser als das Standardsystem im F01 und natürlich um Welten besser als das Hifi-Professional System in meinem E38

Wir fahren los

Ich lasse den 4,2 l großen V8 an. Er faucht ein wenig milde. Ein wenig müde, aber hilfsbereit, fährt der integrierte LCD Monitor aus seiner Versenkung. Vor mir erleuchten die Instrumente in einer wunderbaren 3-D Ansicht. Der kleine farbige Bildschirm zwischen den Tachos erinnert spontan an mein altes Siemens Handy.

Das Ausparken ohne PDC ist ein wenig ungewohnt, aber im Vergleich zu modernen Autos ist der A8 recht übersichtlich, wenn auch die Ecken schwer einzuschätzen sind. Dies liegt daran, dass der A8 vorne keine Ecken hat, sondern abgerundet ist, und man logischerweise mit den nicht vorhandenen Ecken auch nicht anecken kann.

Die variabel übersetzte Lenkung ist extrem leichtgängig. Steuern mit dem kleinen Finger ist der reinste Overkill, Pusten sollte reichen. Der Schalthebel ist noch „old school“, also genauso, wie er sein sollte, Blinker und Scheibenwischer funktionieren so, wie man es erwartet, und das ist heutzutage gar nicht so selbstverständlich.

Langsam dirigiere ich den großen Audi durch unser Wohngebiet Richtung Landstraße. Ein guter Komforttest sind die unvermeidlichen Tempo-30-Buckel: Hier bietet die verstellbare Luftfederung ausgezeichneten Komfort. Nichts klappert oder raschelt. Nicht schlecht für ein zehn Jahre altes Auto von „rent-a-wreck“.

Auf der Landstraße zieht der Quattro gut durch. Der Audi-typisch gestaltete Tacho, der bis Tempo 100 in Zehnerschritten zählt, gibt dem Fahrer die Illusion rasanter Beschleunigung. Die Lenkung wird dabei deutlich schwergängiger, aber dafür sehr direkt, ohne jedoch synthetisch zu wirken. Sie fühlt sich fast nach Porsche an.

Es ist kalt, ich suche den Schalter für die Sitzheizung. Ich finde ihn. Aber statt für Wärme zu sorgen, wird erst einmal wieder der Monitor ausgefahren. Es erscheint ein Menü, auf dem ich die Heizkraft einstellen darf. Irgendwie idiotisch und alles andere als intuitiv.

Ansonsten zeichnet sich das Audi MMI aber durch eine recht gute Bedienbarkeit aus.

Auf der Autobahn gebe ich Gas: Die 6-Gang Automatik reagiert sofort, Der Motor dreht willig hoch, produziert dabei einen angenehmen Sound, und in Nullkommanix sind wir bei Tempo 210.

Mehr ist leider nicht drin, wegen der Winterreifen.

Die Elastizität ist sehr gut, der 6. Gang ist recht lang übersetzt, was aber im Interesse einer leisen Geräuschkulisse und eines niedrigen Verbrauchs ist. Schaltwippen wären schön, sollen wohl auch nachgerüstet werden.

Im Gegensatz zum Eier-Gefühl im BMW 7er bleibt der Audi Quattro auch bei hohem Tempo sicher in der Spur, er erinnert an den BMW 645Ci, aber ohne synthtisch zu wirken, also mehr aktiver Sportwagen als behäbige Luxuslimousine. Das schwere Auto merkt man nicht.

Eine deutliche Verbesserung gegenüber meinem E38, vielleicht nicht ganz so lässig wie eine S-Klasse, aber dafür fährt er wie auf Schienen, ich bin ehrlich begeistert!

Wer eine Kombination aus direktem Handling und sänftenartigen Komfort sucht, wird beim großen Audi fündig. Kein Wunder, dass mein Vater so viele Jahre auf den Quattro Antrieb geschwört hat.

Der Audi A8 macht also auch im Alter eine gute Figur, ähnlich, wie ich ihn in Erinnerung hatte.

Der Audi A8, ein Nachfolger für meinen betagten E38?

Objektiv gesehen spricht einiges dafür: das bessere Fahrwerk, Allradantrieb, moderneres Multimediainterface und der um rund 2,5l geringere Verbrauch. Selbst meiner sonst audi-hassenden Anna gefällt der Wagen, im Unterschied zur F01-7er-Trutzburg könnte sie sich vorstellen, ihn selbst zu fahren.

Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht:

Die Unterhaltskosten für den A8 sind immens hoch: die Ersparnis durch den Minderverbrauch frisst die exorbitant teure Versicherung wieder auf. Außerdem ist in dem hochwertigen Fahrzeug doch allen Ernstes ein Zahnriemen verbaut, der Wechsel alle 5 Jahre kostet schlappe 1,200€, also in etwa genauso viel wie bei einem Ferrari. Nun könnte man argumentieren, doch einen 4,2 FSI zu wählen, ein Direkteinspritzer mit Kette und 350PS. Aber wieso haben davon so viele einen Motorschaden?

Und der ansich reizvolle W12 ist ein Kapitel für sich: erstens gibts kaum welche, zweitens säuft er, drittens gibt kaum jemanden, der davon Ahnung hat.

Auch die Kosten für Ersatzteile sind sehr hoch, wenn man nicht gerade Glück hat und das gesuchte Teil beim Schlachter vorrätig ist (der vornehmlich 4l TDI Modelle zerlegt).

Zudem muß wie beim den neueren BMW ab dem E65 alles und jedes codiert werden, ohne Diagnosewerkzeug kann man nicht einmal mehr die Bremsbeläge wechseln. Nicht zuletzt deswegen heißt es im Audi Forum statt „komm mal rüber“ „Geh zum Audi Händler deines geringsten Misstrauens“.

Und dann ist da die Sache mit dem Charakter: während der E38 ein böser Bube ist, ein Mafioso, der im Luxus der alten Zeit schwelgt, ein Typ, mit dem man Pferde stehlen kann, sofern man einen Hänger hat, gibt der Audi den kühlen Technokraten: freundlich grinsend, aber im Grunde seines Wesens absolut humorlos, mit dem Charme eines Steuerbeamten aus Nordrhein-Westfalen. Ein Auto von Strebern für Streber.

Zwischenbilanz

Das es in dieser Berichtereihe um die Suche nach einem würdigen Nachfolger für meinen betagten BMW 750i geht und wir inzwischen Luxuslimousinen von fast allen Herstellern gefahren sind, wird es vielleicht Zeit für eine kleine Zwischenbilanz:

Egal ob 7er BMW, S-Klasse, Audi A8, Jaguar XJR oder Maserati Quattroporte:

Im Endeffekt sind es alles sehr gute Autos. Alle sind schnell, alle sind komfortabel, lediglich der Charakter unterscheidet sich in Nuancen. Hätte ich kein Auto dieser Klasse, würde meine Wahl nach nüchterner Betrachung vermutlich auf den Audi A8 4.2 fallen, wegen der Fahreigenschaften und weil Anna ihn mag.

Mein Herz hingegen schlägt für den Maserati Quattroporte, den heißen italienischen Gigolo im Designer-Outfit, der jedes Mädchen kriegt.

Und der E38? So wie er vor meiner Tür steht, als 750i, frisch lackiert und gewaschen, ist er wohl die große Liebe. Nicht perfekt, nicht der beste, aber ein treuer Kamerad mit vielen liebenswerten Eigenschaften, nicht ganz so heiß wie der Maserati-Flirt, aber dank V12 und Holz und Leder trotzdem ein Auto für die Seele.

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