Mein im Ausland lebender Schwager kam zu Besuch und brauchte natürlich ein Auto. „Ein Cabriolet sollte es sein, ein richtiges Spassauto“ befand meine Schwiegermutter. Am besten was sportliches, vielleicht ein Porsche oder ein BMW Z4.
Da mein Schwager ein fürsorglicher Familienvater ist und mit seinen beiden kleinen Kindern anreist, haben wir die Idee vom flotten Zweisitzer schnell wieder verworfen.
Stattdessen buchte ich ein viersitziges Cabrio bei Sixt.
An einem Freitagmorgen war es soweit: ich fuhr zu Sixt, um den Wagen abzuholen. Statt des erhofften Mercedes E-Klasse Cabrios bekam ich die Schlüssel zu einem BMW 320d Cabriolet mit Blechdach. Ich unterschrieb und sah mir den Wagen an: er sah schon sehr schick aus: silbern glänzender Metalliclack, schwarzes Leder, M-Paket, 6-Gang Schaltgetriebe….SCHALTGETRIEBE?
Schaltgetriebe ist ein Problem.
Einige von Euch werden hämisch Grinsen: „Kann der Trottel nicht schalten?“
Mein lieber Schwager lebt in Israel, einem Land, in dem es keine Autos mit Schaltgetriebe gibt, mit Ausnahme einiger Miniautos, in die sich aber kein Fahrer hineinwagen würde, der noch recht bei Verstand ist. In einem Land, in dem täglicher Raketenbeschuss mit einem Schulterzucken wahrgenommen wird, geht man auch beim Autofahren nicht allzu rücksichtsvoll miteinander um. Es wird gerast, gehupt, gedrängelt, und obwohl fast jedes Auto nur 100 PS hat möchte jeder im Stau ganz vorne sein. Und wenn man dort steht, gerne auch bergauf, dann schaut der Israeli lieber auf sein Samsung Smartphone, um seinen Status zu twittern, anstatt sich mit einem Schaltgetriebe herumzuschlagen.
Da ich ausdrücklich ein Automatikauto bestellt hatte wendete ich mich wieder an die freundliche Dame am Tresen. „Ja, so ein Cabrio, das sei ja ein richtiger Sportwagen, und der hätte nunmal eine Gangschaltung“, so ihre Antwort.
Als Fahrer eines Porsches mit Tiptronik konnte ich es mir gerade noch verkneifen, mich vor Lachen den Bauch haltend auf den Boden zu wälzen. Ich wollte nicht respektlos sein, für eine einfache Sixt Angestellte ist ein 3er BMW auch ohne Klapptop ein unerschwinglicher Traumwagen.
Und sie war wirklich hilfreich: sofort rief sie in den umliegenden Zentralen an. es gelang ihr tatsächlich, in der Filliale am Georgsplatz ein Mercedes Cabrio mit Automatik aufzutreiben. Ich müsse mich aber beeilen!
Ich bekam die Anweisung, mit dem BMW zur anderen Filliale zu fahren und das Auto zu tauschen.
Nichts lieber als das!
So hatte ich also Gelegenheit, kurz vor Produktionseinstellung noch einmal das erste und letzte BMW 3er Cabrio mit Blechdach zu fahren!
Als langjähriger BMW-Altauto-Treter und Auto-ImShowroom-Herumsitzer war mir der 3er BMW wohlbekannt. Ultrafettes Lenkrad, breiter Monitor in der Mitte, iDrive und Startknopf. ansonsten viel Plastik – bei BMW Verkäufern unter der Bezeichnung „hochwertiger Kunststoff“ und manchmal auch „Leder“ bekannt.
Hübsch gestaltet sind die M-Fußmatten mit blauen Kedern, ansonsten wirkt der Innenrau doch ein wenig trist.
Immerhin, die Tür fällt satt ins Schloss. Ich steckte den Schlüssel in die dafür vorgesehene Öffnung und starte den Motor per Knopfdruck. Bei 30° Aussentemperatur übertönt die sehr effiziente Klimaanlage jegliche Nagelgeräusche des Dieselmotors. In kurzer Zeit ist der Innenraum auf eine halbwegs erträgliche Temperatur abgekühlt. Eine angenehme Sitzposition finde ich genauso schnell, eine elektrische Sitzverstellung ist beim 3.850€ teuren M-Paket serienmäßig an Bord.
Vorsichtig rolle ich den kleine BMW vom Hof: die Kupplung greift angenehm, die Gänge sind kurz und knackig, so soll es sein. Die Lenkung ist extrem leichtgängig, aber dafür trotzdem einigermaßen präzise.
Richtig klasse finde ich die Übersicht zur Seite: keine B-Säulen sind die einzig wahren B-Säulen, und ich frage mich spontan, ob die C-Säule beim 3er Cabrio als B-Säule bezeichnet wird. Ebenfalls genial: mit einem einzigen Knopf kann man sämtliche Seitenscheiben versenken!
Das Dach hingegen möchte noch nicht aufgehen: ein Piktogramm verweist mich auf eine nicht verriegelte Kofferraumabdeckung. Egal, mir ist es viel zu warm.
Die Federung des M-Sportfahrwerks ist straff. Fahrbahnunebenheiten werden durchaus weitergegeben, aber niemals so ungefiltert wie es (m)ein Porsche zu tun pflegt. Die Kurvenlage ist natürlich ebenfalls keineswegs mit der eines Porsches zu vergleichen, no pain, no gain.
Aber jetzt will ich doch offen fahren, wenigstens ein ganz klein bisschen. An einer Shell-Tankstelle halte ich kurz an, steige aus und öffne den Kofferraum. Tatsächlich ist dort eine Abdeckung, die zurückgeschoben werden möchte. Rumms-Klack – der Riegel ist drinnen und das Kofferraumvolumen um 30% geschrumpft.
Ob das Verdeck auch per Schlüssel aufgeht?
Ich halte meinen Daumen auf die Taste zum Öffnen: nach einigen Sekunden surren Motoren, das Dach fängt an sich zu bewegen und sich wie ein Origami-Kunstwerk zusammenzufalten. Elegant verschwindet es unter dem (weniger eleganten) Kofferraumdeckel. Ich bin ehrlich beeindruckt!
Beeindruckt ist vielleicht ein wenig zu schwach: die Choreographie muss ich mir unbedingt nochmal ansehen! Mit dem Schlüssel schließe ich das Dach und sehe mir an, wie quasi das gesamte Heck entblößt wird und sich das Auto wie ein Transformer in Sekundenschnelle in ein Coupé verwandelt.
Einfach spitze!
Und weil ich neugierig bin, wie sich so ein BMW Cabriolet offen fahren lässt, Drücke ich noch einmal aufs Knöpfchen und mache das Dach wieder auf. Dach auf – Dach zu – Dach auf – Dach zu – an dem Mechanismus hätte Homer Simpson sicher ein Wochenende lang seine Freude.
Genug gespielt, ich muss weiter, meinen Mercedes abholen, bevor ihn mir jemand anders wegschnappt.
Aber einmal will ich noch: „Dach zu – Dach auf…“
Das 3er Cabrio ist auch offen sehr angenehm zu bewegen: man fühlt sich deutlich geschützter als im offenen Porsche. Wegen der hohen Gürtellinie dürfen die Seitenscheiben unten bleiben. Damit ist es das perfekte Cabrio für Warmduscher, die einen coolen Eindruck machen möchten.
Eine absolute Pest und dem Auto in kleinster Weise würdig ist hingegen der Motor: ein Diesel hat in einem Cabrio wirklich nichts verloren, und dieser schon gar nicht: das Turboloch ist so groß und tief wie der Schwarzsee in Kitzbühel. Erst kommt nix, dann zuviel, dann wieder nix. Das nutzbare Drehmomentband ist winzig, man ist dauernd am Schalten. Das ist nicht nur unheimlich nervig, es verhindert auch, dass man cool den Ellenbogen heraushängen lassen kann, wie es sich gehört.
Sound gibt es auch keinen. Zumindest nicht aus dem Auspuff.
Aber vielleicht aus dem Radio?
Ich probiere an der Ampel das Soundsystem aus. das Ergebnis ist eine Enttäuschung: statt ordentlich satt „uz-uz-uz“ zu machen, wie es sich für ein 3er Cabrio gehört, kann das hier verbaute System mühsam mit dem Lautsprecher meines iPhones mithalten.
Fazit bei der Abgabe: ein nettes Auto mit einer brillanten Faltmechanik das zumutbar angenehm fährt.
Leider verdirbt der Diesel den guten allgemeinen Eindruck. Als M3 mit V8, SMG Schaltung, Volllederausstattung und Logic 7 oder Hamann Kardon könnte die Kiste jedoch richtig Freude bereiten.
Zuhause jage ich das 3er Cabrio durch den Konfigurator und komme auf einen Neupreis von stolzen 55.240€
Warum sind die Deutschen bloss so doof und kaufen zu einen exorbitanten Preis Autos mit dermaßen miserablen Motoren? Die Amis wissen schon, warum bei ihnen die Modellpalette beim 335i beginnt.
Mein Tipp: es ist zwar nett, wenn der 320d nur 5l verbrauchen soll, aber irgendwie macht es keinen Sinn, bei einem dermaßen teuren Spassauto mit dem Sprit knausern zu wollen und sich gleichzeitig das ganze Vergnügen zu verderben. Deswegen nehmt entweder den (übrigens 3.000€ billigeren 320i) mit dem laufruhigen 170PS 6-Zylinder Motor oder spart euch das M-Paket und wählt stattdessen den 272 PS starken 330i, der richtig Laune macht.
Edit: es ist so peinlich. Nicht für mich. Aber für BMW. Der 320i ist kein sahniger Reihensechser, sondern ein rappeliger Vierzylinder, der zu allem Überfluss noch eine Direkteinspritzung hat. Schämt Euch!