Es began damit, daß der „billigste Tisch Deutschlands“ nicht mehr so ganz zu unserem neuen Wohnzimmer im Retro-80er-Jahre-Look paßte, welches wir hauptsächlich mit stilvollen Gebrauchtmöbeln für nen Apple und’n Ei von ebay eingerichtet haben, frei nach dem Motto „entweder richtig edel oder richtig billig“.
Da wir beide noch jung sind, bei den hiesigen Möbelhäusern nix brauchbares fanden und überdies einen extrem haarigen Perser haben, welcher eine Vorliebe fürs Zerkratzen von glatten Oberflächen hat, ersteigerte meine Süße beim bewährten Auktionshaus ein sehr hübsches Angebot: 4 Freischwinger + einem sehr schicken runden Esstisch für schlappe 30 €, Standort Bielefeld.
Paßt ideal zu unseren 5€ Stühlen, dem 60€ Fernsehsessel, dem geerbten Medion Fernseher, dem 30€ Sitzsack, dem 25€ Wohnzimmertische und dem 15€ Designersideboard, bei dem noch ein schickes dreieckiges Regal zugegeben wurde (das aber ist eine andere Geschichte).
Blöderweise war der Kofferaum meines E39 ca 5 cm zu klein für das gute Stück, der Kofferraum von Papis Blaehton war noch ein Stück schmaler und mit nem Polo oder Ka fahr ich keine 300km Autobahn.
Also bin ich spontan zur nächsten Sixt Station gefahren. „Hi, ich brauch nen Kombi, muß ein paar Möbel transportieren“. „Ja, hmm, also Laster wird schwierig“ – er fängt an zu telefonieren. „Ja, hmm, da hätten wir noch nen Vito, der heut Abend aber unbedingt zurückmuß.“. Ich sag, ich will und brauch keinen Sch….vito, haben sie nich nen ganz normalen Kombi, A-Klasse, Passat oder was? Er telefoniert weiter. „Ford Focus Tunier?“. „Ok.“.
Ich fuhr ein wenig enttäuscht zur nächsten Station, denn die Dreckskarre von Ford kannte ich schon, und hatte auf ein neues Fahrerlebnis gehofft.
In der Station Weidetorkreisel braucht ich eine Weile, mich in dem Labyrinth zurechtzufinden, wurde dann aber gleich mit den Worten „Hi, wir machen gerade einen Touran für Sie fertig“ begrüßt, was mir sehr recht war.
65€ incl. VK, plus unendlich viele km, war in Ordnung.
Nach 10 Minuten war der Wagen fertig, ich bekam den Schlüssel und die Ermahnung, zum Transport eine Decke zu benutzen, alle Schäden im Innenraum würden auf meine Kosten gehen. Ich wußte nicht, ob ich das so ganz Ernst nehmen sollte, den ihren nigelnagelneuen Sprinter hatte ich damals nach dem Umzug in einem fast schrottreifen Zustand zurückgegeben (hat wohl damals die VK übernommen :D).
Also, Aufsperren, Einszeigen, Zündung und – würg. Ich hatte vergessen, daß die Karre keine Automatik hat. Also nochmal.
Langsam setzte er sich in Bewegung und sucht die Ausfahrt aus dem Labyrinth des Büroparks „Weidetorkreisel“. Die Sitzposition war ungewohnt hoch, das Auto erschien mit deutlich unübersichtlicher als mein Bimmer. Dafür war die Lenkung angenehm leichtgängig.
Das Cockpit war eine Plastikwüste, aber immerhin, e-Fenster, Außenspiegel, Funkfernbedienung, Klimaautomatik, CD-Player alles da. An einer Ampel machte ich das Radio an – und war verblüfft! Das Ding machte richtig schön uz-uz-uz, konnte sogar 89.0 RTL Radio empfangen das in meinem Bimmer immer versagte. Die Bässe fuhren angenehm in den Magen und ließen die Karosserie schwingen, daß man sich in einem Porsche 911 wähnte.
Noch besser war der Motor: er war überraschend leise und zog angenehm durch. Über die Stadtautobahn fuhr ich weiter nach Hause Richtung Döhren. Dort wurden erstmal die drei Mittleren der insgesamt 7 Sitze ausgebaut. Die Lehnen wurden archaisch mit Stoffschlaufen gelöst, so etwas saumäßiges hatte ich nichtmal in meinem Primitiv-Polo-Scott erlebt 🙁 . Ansonsten ging der Ausbau aber schnell vonstatten, und ich durfte die Dinger in den Keller schleifen (beim Opel Zafira kann man die Sitze einfach versenken).
Wir fuhren los Richtung Bielefeld. Ablagen waren reichlich vorhanden, so daß sich sogar ein Platz für Isolde fans (so hatten wir das kleine Aldi-Navisystem getauft).
Mal schaun, wie schnell die Karre läuft.
Bis 120 war der Durchzug sehr gut, mit dem BMW zu vergleichen, danach nahm die Leistung aber deutlich ab. Bis 160 gings noch ganz gut, nach einer Weile war 180 erreicht, wo meine hemmungslose Beschleunigungsorgie ein vorläufiges Ende fand – bis die Autobahn leicht bergab ging, und die Tachonadel bis auf 200 ging.
Wieviel PS der wohl haben mag? Ich schätze ca 130.
Man war alles in allem recht flott unterwegs und gehörte nicht wirklich zu den Langsamen im Lande. Auch auf der Autobahn war der Motor überraschend leise, nicht sehr viel lauter als mein 5er BMW.
Warum kann man nicht mit so einem Auto zufrieden sein? Ist doch eigentlich ganz nett, fährt ganz gut, reicht doch vollkommen, um von A nach B zu gelangen. Warum muß es ein Super-Luxus-BMW sein?
Ketzerische Gedanken, die aber rasch verflogen, als mich ein nagelneuer silberner 735er BMW E65 überholte, dem ich neidisch hinterherschaute.
Wir waren nach 1.5 Stunden in Bielefeld, wo Isolde mal wieder ihren Dienst versagte (angeblich befanden wir uns Off-Road), aber mit etwas Gück fanden wir unser Ziel trotzdem.
Beim Einladen merkten wir, daß das Auto ein keinen Fall hätte kleiner sein dürfen: Tisch und Stühle paßten gerad noch so rein.
Da das Wetter schön und die Kilometer frei waren, beschlossen wir, noch eine kleine Stadrundfahrt Bielefeld zu unternehmen. Besonders schön fanden wir die Stadt nicht, aber am Ende fanden wir einen Berg mit einer Burg, die wohl die Hauptsehenswürdigkeit der Stadt war. Es ging steil nach oben, die Straße war schmal – und natürlich kam Gegenverkehr.
Bravo. Ich mußte anhalten, Auto war voll beladen, Schaltung, Diesel, und es gibt richtig steil nach oben. Handbremse, ordentlich Gas, Kupplung los.
Unmißverständliche Signale warnten uns, daß wir gerade dabei waren, die Vorderreifen zu vernichten. Beißender Gestank nach verbranntem Gummi waderte in den Innenraum.
Scheißschaltkarre!!!!
Also nochmal, diesmal vorsichtiger.
Nach zwei weiteren Versuchen setzte sich das Auto in Bewegung, und nichts konnte uns mehr davon abhalten, den Berg zu erklimmen.
Oben vermisste ich mein PDC schmerzlich, aber trotzdem schaffte ich es irgendwie, den Touran kratzerfrei in den engen Parkplatz zu manöverieren.
Wir gingen eine Stunde spazieren, die Burg war durchaus sehenswert, also wer mal nach Bielefeld kommt und die Stadt nicht in 100% schlechter Erinnerung behalten will, unbedingt hochfahren, angucken und den schönen Ausblick genießen.
Anschließend fuhren wir zu McDuff, der doch tatsächlich direkt gegenüber einem Maserati-Händler stand. Kurzes Essen bei genialer Aussicht, dann ging es zurück.
Langsam wurde ich müde, und machte folgende feststellungen: Bis 160 fuhr man noch bequem, danach mußte man aber recht viel Konzentration aufwenden, um den hohen Wagen auf der Spur zu halten, der lieber wie ein Kanninchen viele Hacken schlagen wollte.
Auch wurde mein Arm lahm, es gab nämlich trotz Mittelarmlehne nicht die Möglichkeit, sich gleichzeitig abzustützen und zu lenken – eine Unsitte, die ich auch aus anderen Autos des VW-Konzerns kenne, wie z.B. beim Phaeton oder dem aktuellen Audi A8.
Das Radio nervte irgendwann, ich nahm die Bässe wieder raus und schaltete es irgendwann ganz ab. Ätzend auch die bläuliche Cockpitbeleuchtung, für die sich Anna jedoch begeistern konnte.
Am Ende war ich recht froh, als wir zuhause ankamen. Ausladen, den ganzen Schrott 4 Stockwerke hochschleppen, ab ins Bett zum pennen.
Am nächsten morgen habe ich dann erstmal die Sitze einen nach dem anderen wieder eingebaut, und natürlich auf jeden Platz ausführlich Probegesessen. Hmm, was mag das wohl für ein Gefühl sein, in der dritten Reihe zu sitzen, als Kind, mit Papa am Steuer und vorne Geschwister?
Wenn man die zweite Reihe wegläßt, hat man wunderbar viel Platz zum herumfaulen. Ich kann schon verstehen, warum sich manche Leute für ein solches Auto begeistern.
Anschließend auf die Uhr geguckt: hmm noch drei Stunden Zeit bis zur Abgabe. Gabs es bei Ikea nicht so tolle Balkonstühle, die wir garantier nicht in den Bimmer bekommen. Kurz ins Radio gehört: Bombenentschärfung auf der A7. Also ab nach Braunschweig, mit full Speed über die A2. Die Stühle paßten gerade so rein 😀
Ab nach hause, und die Karre gerade noch pünktlich bei Sixt vor die Tür gestellt. Und vorher beim Volltanken noch einen Blick in die Papiere riskiert: 115 PS, bei einem Verbrauch von 11l.